24.3.2018 Wieviele Arten von Stille gibt es?
Wir verständigen uns hauptsächlich durch Sprache. Dies bringt uns einerseits unseren evolutionären Vorteil, da wir uns gut in Gruppen organisieren können. Andererseits schränkt sie uns aber sehr ein. Gibt es für etwas kein Wort können wir es schwer kommunizieren. Anders formuliert – gibt es kein Wort, gibt es die Erfahrung oder das Ding einfach nicht. Natürlich können wir ein neues Wort dafür erfinden, aber das muss sich dann erst durchsetzen und bekannt werden.
Wir sind derzeit auf La Réunion. Eine Insel mitten im Indischen Ozean. Etwas über 200 km westlich von Mauritius. Der südlichste Teil der EU und zu Frankreich gehörend. Es fühlt sich an, als wären wir in Europa vom Meer umgeben.
Diese Insel hat jedoch etwas ganz besonderes zu bieten. Neben den hunderten Mikroklimata gibt es auch noch einen der aktivsten Vulkane. Den Piton de la Fournaise – 30 Ausbrüche in den letzen 7 Jahren.
Diesen Vulkan besteigen wir. Nachdem es Samstag ist, sind wir nicht die einzigen beim Aufstieg. Gefühlt wandern wir durch hundert verschiedene Arten von Gestein. Ob es für jede einzelne wohl einen Namen gibt? Von rot bis schwarz, klein bis riesig, gewunden und gerade, schroff und tropfenförmig ist alles dabei. Eine unglaubliche Steinvielfalt.
Oben angekommen stehen wir vor einem riesigen Krater. Bis auf ein wenig Dampf ganz unten erinnert nichts daran, dass hier immer wieder tausende Tonnen von flüssigem Stein hoch gedrückt werden. Der Wind weht mäßig, die Wolken haben wir unter uns gelassen und wir genießen den Ausblick auf über 2.600 Metern Höhe. Hunderte Arten von Steinen, unzählige verschiedene Wolkenformationen und das wunderschöne blaue Meer. Das in Worte zu fassen ist eine Lebensaufgabe.
Doch was hat das alles mit Stille zu tun? Es sind zu viele Menschen hier für Stille.
Wir machen uns spät auf den Rückweg, um gerade noch vor Sonnenuntergang anzukommen. Als Schnellwanderer gehe ich immer ein Stück voraus und warte bis ich die anderen sehe oder höre.
Außer uns ist niemand mehr da. Ich bleibe wieder stehen um mich umzusehen und da ist sie. Diese unbeschreibliche Stille, dieser Friede. Ich höre nur den Wind und sonst gar nichts. Keinen Vogel, keinen Menschen, kein Tier, nichts. Ich kann mich nicht erinnern wie lange ich schon nichts mehr gehört habe. Obwohl es nicht ruhig oder leise ist, da der Wind noch bläst ist es doch eine unglaubliche namenlose Stille. Dies ist nicht die übliche Stille bei der ich einfach alles rundherum ausblende. Es ist „wahre“ Stille. In mir ist nichts ausgeblendet oder still. Ich bin ganz offen und hellhörig für das was da passiert. Ich sauge dieses Gefühl zur Gänze in mir auf.
Ihr seht schon die Vielfältigkeit der Stille und wie schwer es ist sie zu beschreiben. Es ist auch gar nicht notwendig. Wichtig ist nur, dass wir uns immer wieder erlauben auch etwas zu erleben für das wir kein Wort haben. Sonst sind wir immer in den Grenzen unserer Sprache verloren. Die Natur hat soviel mehr zu bieten als jemals eine Sprache ausdrücken können wird.
27/03/2018
Ursi
Ludwig Wittgenstein hat es so ausgedrückt: Die Grenzen deiner Sprache sind die Grenzen deiner Welt.
Aber du hast recht: Wenn wir Unglaubliches einfach nur bestaunen und begeistert und dankbar in uns aufnehmen, dann brauchen wir keine Worte dafür. Nur eine große Offenheit und grenzenloses Staunen.
28/03/2018
Martin Richtsfeld
Da fällt mir noch einer meiner Lieblingssätze ein: „Nur dein Vorstellungsvermögen ist die Grenze“